Gedichte von Michael Albert

Der Dichter Michael Albert (*1836 in Trappold, †1893 in Schäßburg,
bedeutender Dichter, Schriftsteller und Literaturwissenschaftler.
Er studierte Theologie und Germanistik in Jena, Berlin und Wien und
unterrichtete als Gymnasialprofessor in Bistritz und zuletzt in Schäßburg.

Geburtshaus von Michael Albert

 

Bauernstube von
 Michael Albert

Draußen rieselt der Regen;
Dem Dorf entgegen
Schlägt aus dem Walde der Wind.
November ist es; der Abend beginnt
Zu dunkeln nach kurzer Tageszeit;
Da werden die Dächer weiß; – es schneit.
Vom Lutherofen um Bank und Schrein
Strahlt gaukelnd der Flamme rötlicher Schein.
Die Katze, die glatt das Haar sich geleckt,
Liegt auf dem Herd, lang ausgestreckt.
Gleichmäßig tickt an der Wand die Uhr;
Doch träge wandeln die Stunden nur.
Die Mutter, die junge Tochter beginnen
Zum ersten mal heute den Hanf zu spinnen,
Den neuen Hanf, so weich und weiß,
Der Frauen Lust, der Frauen Preis. –
Der Bauer sitzt auf der geblümten Truh;
Nun ist er der Herr, nun hat er Ruh.
Im warmen Stalle geborgen sind,
Des Pfluges entlastet, so Pferd, wie Rind.
Das Futter hat er in trockner Scheune,
Den Mais im Korbe, das Korn in Kisten;
Das Stroh liegt aufgehäuft in Dristen;
Im Keller unten, da gähren die Weine,
Und eingelegt in der Butte ruht
Der Kohl, der Küche gepriesenes Gut. –
Ein still Behagen durchschwebt den Raum;
Halb ists ein Wachen und halb ein Traum. –
O Bauernstube in Winters Ruh!
Wo ist ein seliger Heim, als du?

Bleibe treu von
 Michael Albert

  1. Deiner Sprache, deiner Sitte, deinen Toten bleibe treu!
    Steh in deines Volkes Mitte, was sein Schicksal immer sei!
    Wie die Welt auch dräng' und zwinge, hier ist Kraft, sie zu bestehn;
    trittst du aus den heilgen Ringe, wirst du wehrlos untergehn.
    Bleibe treu! Bleibe treu!

     
  2. Wie die Welt auch um dich werbe, deine Brüder lasse nicht!
    Deiner Väter treues Erbe zu behüten, sei dir Pflicht!
    Gleich der Welle in dem Strome füge in dein Volk dich ein!
    Stürzen kann die Mau'r im Dome, wenn sich losgelöst der Stein.
    Füg' dich ein! Füg' dich ein!

     
  3. Wahre deines Volkes Ehre; nie sei dir sein Name feil!
    Stehe fest in seiner Wehre, fühle dich als seinen Teil!
    In des Lebens Leid und Wonne bleibe treu auf guter Wacht!
    Lieb dein Volk im Glanz der Sonne, in des Sturmes dunkler Nacht!
    Bleibe treu! Bleibe treu!
[Notenblatt]


Die Mutter schläft von Michael Albert

Im weißen Linnen, glattgekämmt die Haare,
So ruht die tote Mutter in der Bahre;
Gefaltet liegen auf der Brust die Hände
Und Blumen schmücken rings des Sarges Wände.

„Die Mutter schläft nur", sagt man sonst dem Kinde,
Da lächelt wohl sein Antlitz still und linde; –
Wär ich ein Kind an diesem Leichenschreine!
„Die Mutter schläft" – ich glaub es nicht und weine;

Denn diese Hand, gebräunt und voller Schwielen,
Die liegt so starr nun in des Sarges Dielen;
Sie hat so fleißig, ach! im Schweiß und Qualme
Geschnitten auf dem Feld die goldnen Halme.

O teure Hand, du schufest ohn Ermatten!
Du wiegtest einst mich in der Garben Schatten;
Du schlepptest dich, daß ich gebettet liege,
Von Feld zu Feld mit mir und meiner Wiege.

Um mich der Ähren flutendes Gewimmel
Und über mir dein Auge und der Himmel,
So schlief ich ein, und auf der Wiegenstange,
Da sang der Vogel mir mit muntrem Klange.

O teure Hand! was im Gemüt ich nähre,
Was mir gereift in voller Geistesähre,
Das Wort, das mir im Mund gedieh zur Blüte,
Das alles dank ich heute deiner Güte.

Daß dies Geschick ich trage still geduldig,
Das Opfer bin ich deiner Liebe schuldig.
Ich gönne dieser Hand die Feierstunde,
Die Klage wird zum Dank in meinem Munde.



Der Birnenbaum von Michael Albert

Von einem alten Birnenbaum
berichtet uns die Sage
er steht allein in Feldes Raum
ein Denkbild alter Tage.

Ihn pflanzten unsere Väter noch
wie sie ins Land gezogen
dann war der Baum so stark und hoch
der Wipfel breit gebogen.

Berührte Ihn des Lenzes Hauch
hat er sein Laub getrieben
und kam der Herbst so ist er auch
nie ohne Frucht geblieben.

Und seine Frucht war süß und gut
so alt der Baum geworden
so oft ihn auch des Sturmes Wut
berauscht von Süd und Norden.

Sie haben oft den Feuer´s Brand
an seinen Stamm gehalten
sie nahmen oft die Axt zur Hand
den Baum entzwei zu spalten.

Umsonst! Er stand doch frisch belaubt
beschattete die Heide
und wenn sie seine Frucht geraubt
trug andere er mit Freuden.

Ob mancher Zweig noch heut verdirbt
er treibt stets neue Glieder
Für wen der Baum von innen stirbt
dann grünt er nimmer wieder.

(C) Jugendschrift von Zerwes Gerhard sen..

 

Mein Dorf von
 Michael Albert

Vom Dorf, drin ich geboren,
treib weit mich das Geschick;
das Dorf, das ich verloren,
Grüßt jetzt im Traum mein Blick.

Die Eichen stehn noch immer
dort auf dem Bergesthron,
es spielt der Abendschimmer
durch ihre Blätterkron.

Die Gasse fließt hinunter
wie sonst der stille Bach,
die Weiden weben munter
ihm noch ihr grünes Dach.

Dort gar die alte Weide,
inwendig morsch und hohl,
einander waren beide
wir einst vertraut gar wohl.

Voll kindlicher Gedanken
in sanfter Abendruh,
sah oft ich still dem Schwanken
in ihren Ästen zu.

War dann im Staub der Gasse
die Herde heimgekehrt,
so stieg der Mond, der blasse,
aus Bäumen wie verklärt.

Aus tiefem Himmelsgrunde
kam langsam Stern an Stern,
es schliefen in der Runde
die Felder nah und fern.

Ich schritt in süßen Träumen
dann oft den Hof entlang,
und schuf an meinen Reimen
in frühem Liederdrang.

Gelagert wiederkäute
das Rind im Hofrevier,
und wedelnd ging zur Seite
der alte Hektor mir.

Die Schnitter aber aßen
im Haus ihr Abendbrot,
und schwatzten und vergaßen
des Tages Müh´ und Not.

Ein Graukopf rief: "Erhalte
uns, Gott, der Arbeit Lohn!"
Begraben liegt der Alte
seit vielen Jahren schon.

Vom Dorf, drin ich geboren,
trieb weit mich das Geschick;
das Dorf, das ich verloren,
grüßt jetzt im Traum mein Blick.

Des Lebens bittern Kummer
daheim empfand ich nie;
es rauschte mich in Schlummer
der Baum der Poesie.

Mit Blüten überstreute
er reich mein kindlich Haupt,
das Dorf, es steht noch heute;
der Baum drin - ist entlaubt.

 

Weihnachten auf dem Friedhof
von Michael Albert

Wenn tief im Tal erloschen sind
am Weihnachtsbaum die Kerzen
und noch im Traum so manchem Kind
die Freude pocht im Herzen:

Dann tönt voll Ernst, dann tönt voll Macht
vom Berg die Glocke droben,
um in der stillen, heiligen Nacht
den Herrn, den Herrn zu loben.

Sie braust ihr Lied so voll, so tief
auf hoher Friedensstätte,
wo schon so lang, so lange schlief
manch´ Herz im Hügelbette;

Sie braust ihr Lied den Toten dort
in weiter, weiter Runde:
"Auch oben an dem stillen Ort
ist´s Weihnacht", tönt die Kunde.

Ach Weihnacht, Weihnacht ! -
wer ein Kind, ein liebes, dort begraben,
trug Tannenäste, treu gesinnt,
ihm als Erinnerungsgaben.

Er legte sie bei Tage sacht
aufs Bett ihm als Geschenke,
zu zeigen, das er sein gedacht
und seiner fort gedenke.

Und wessen Vater droben ruht,
gedeckt von Schnee und Eise,
und wer die Gattin, lieb und gut
vermist in seinem Kreise:

In ruft der Glocke Weiheklang
ins Reich der Stillen oben;
er fühlt auch seiner Liebe Drang
in ihren Klang verwoben.