Graf
Dracula (Vlad Ţepes)
Das Vorbild für Bram Stokers
Dracula ist Vlad III. Ţepes (»der Pfähler«, sprich: Tzepesch) Draculea,
1431-1476/77.
Der Fürst der Walachei war selbst für seine Zeit als grausam bekannt und
erfüllte alle Vorbedingungen für eine Spontanumwandlung in einen Vampir: Er war
extrem böse, und er hatte ein »nicht zu Ende gelebtes« Leben.
Geboren wurde er wohl 1431 in Sighisoara (Schäßburg) in Transsilvanien
(Siebenbürgen) als zweiter Sohn des walachischen Bojaren Vlad Dracul, der seinen
Beinamen gerade erst erhalten hatte: Er wurde beim Nürnberger Reichstag im
Februar 1431 von König Sigismund II. zusammen mit anderen Adligen, darunter
Oswald von Wolkenstein, in die erste Klasse des Drachenordens aufgenommen.
In Schäßburg lebte Vlad Dracul im Exil; erst 1435 gelang es ihm,
Alexander, den Woiwoden der Walachei, zu stürzen und als Vlad II. Dracul den
Thron zu besteigen.
Die Walachei war Spielball zwischen Türken und Ungarn; durch eine
geschickte Schaukelpolitik konnte Vlad Dracul 12 Jahre lang sich die Herrschaft
und seinem Land die Unabhängigkeit bewahren. 1441 gab er seine zwei jüngeren
Söhne als Geißeln an den Hof des türkischen Sultans; dort lernte der junge Vlad
die Grausamkeit als Mittel der Politik kennen und lieben.
1447 wurden Vlad Dracul und sein ältester Sohn Mircea von
den Türken erschlagen, ein ungarntreuer Woiwode folgte. 1448 gelang es Vlad
Draculea (Draculea = der Sohn des Drachen) als Vlad III., mit türkischer
Unterstützung den walachischen Thron zu erobern, doch wurde er nach ein paar
Monaten wieder vertrieben.
Es folgten unruhige Wanderjahre, ehe Vlad 1456 mit Unterstützung der
Ungarn und der Siebenbürger Sachsen den Thron eroberte. In den 6 Jahren seiner
Herrschaft erwarb er sich einen Ruf als extrem grausamer Fürst: Er ließ
Gesandten die Hüte am Kopf festnageln, Zigtausende von Leuten pfählen (auf die
grausame, langsame orientalische Weise mit eingefettetem, abgerundetem Pfahl im
After), trank das Blut seiner Opfer, tötete mindestens eine seiner Frauen und
eine Mätresse, »beseitigte« die Armut, indem er die Armen verbrannte, und zwang
die Zigeuner zum Kriegsdienst, indem er sie vor die Wahl stellte, gegen die
Türken zu kämpfen oder ihre eigenen Kinder zu verspeisen.
Erst im Frühjahr 1998 wurde in St. Gallen (Schweiz) eine mehr als 500
Jahre alte Handschrift entdeckt, in der über den erzwungenen Verzehr gebratener
Menschen berichtet wird. In dem zwischen 1460 und 1470 verfaßten Text schildern
zwei Mönche, wie Ţepes 300 Sinti und Roma festnehmen ließ, um drei von ihnen am
Spieß zu braten. Die übrigen hätten diese dann essen müssen.
Herrschaft durch Schrecken war Ţepes’ Devise, und er brachte es darin zu
einer selten wieder erreichten Perfektion. Schon sein Beiname erweckte Furcht: »Dracul«
wurde abgeleitet vom lateinischen draco (Drache). Aber im Rumänischen bedeutet »drac«
»Teufel« (das Suffix –ul ist der bestimmte Artikel)!
1462 wurde Vlad durch eine Intrige der Sachsenstädte gestürzt und für
fast 15 Jahre in Budapest und der am Donauknie gelegenen Burg Visegrad
eingekerkert. Er konvertierte zum Katholizismus, um eine Verwandte des
ungarischen Königs heiraten zu können, und soll in der Gefangenschaft Mäuse und
Vögel gepfählt haben. 1476 wurde er wieder zum Woiwoden ernannt und die Walachei
ein letztes Mal zum Bollwerk gegen die Türken.
An Silvester 1476/77 wurde Ţepes in seiner Hauptstadt Tirgoviste von den
Türken entweder im Kampf erschlagen oder hinterrücks ermordet, ohne Beichte und
Sakramente. Sein Kopf wurde, in Honig konserviert (»kandierter Vlad«), an den
Sultan gesandt, sein Körper soll im Kloster Snagov nahe Bukarest beigesetzt
worden sein – als man das Grab in diesem Jahrhundert öffnete, war es allerdings
leer.
Die offizielle rumänische Geschichtsschreibung vor allem der
Ceaucescu-Ära feierte Vlad Tepes als großen Staatsmann, Feldherrn und Patrioten
– in einem offiziellen Prospekt wurde der Bau eines Staudamms mit dem Bau seiner
»Adlerfestung« Poenari verglichen. Heute ist seine Einschätzung sehr
unterschiedlich: vom deutlich artikulierten Wunsch nach einem solch harten
Herrscher bis zur Verdammung als Schande Rumäniens. Besonders deutlich wurde
dies im Oktober 1999 bei den heißen Auseinandersetzungen um seine Darstellung in
den neuen rumänischen Schulbüchern. Und auch in den Auseinandersetzungen um den
geplanten Dracula-Park bei Sighisoara spielte
2002 die historische Einschätzung von Ţepes manchmal eine Rolle.
Für einen Vampir wurde Ţepes übrigens nie gehalten. Erstens gab es
Vampire damals noch gar nicht, und außerdem ist ein Vampir ohne Kopf kaum
vorstellbar... Zum Vampir machte ihn erst
Bram Stoker – und Coppola in
seinem Film, in dem allerdings an
der Gestalt des Vlad Ţepes fast nichts stimmt.
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